Der Ruhetag als Erkennungszeichen

Der Ruhetag als Erkennungszeichen


Predigt zum Sabbatgebot


Von Christoph Rehbein

Diese Predigt zum Sabbatgebot (2. Mose 20,8-11/5. Mose 5,12-15) lässt sich in jedem Gottesdienst einsetzen – vorzugsweise, wenn auch Konfirmand/inn/en (mit ihren Eltern) zugegen sind. Ggf. könnten die biographischen Bezüge durch die Predigenden abgewandelt werden.

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Foto: sonne_fleckl/fotolia.de

Letzte Woche Montag. Vor einem türkischen Imbiss verzehre ich meine Mittagsmahlzeit. Neben mir auf der Holzbank sitzt noch jemand, der wegen der strahlenden Sonne gute Laune hat. Nach dem beiderseitigen Lob des guten Wetters erzählt er, dass seine Familie aus Izmir stammt. Eine schöne Stadt in der westlichen Türkei, die ich unbedingt in meinem Leben noch besuchen müsse. Dann fragt er, wo ich denn herkäme und was ich so mache. Pastor? Interessant! Ich solle mal erklären, ob es das im Christentum auch gäbe. So etwas wie die 5 Säulen, an denen man den Islam erkennt. Die zählt er mir auf: Glaubensbekenntnis zu Allah und seinem Propheten Mohammed, fünfmaliges tägliches Gebet, Fastenmonat Ramadan, Almosen und die Pilgerfahrt nach Mekka und Medina.

Eine allgemeingültige Antwort auf seine Frage kann ich leider nicht liefern. Ich nenne ihm die 5 Säulen des Lernstoffs im Konfirmandenunterricht unserer Kirchengemeinde: Das Vaterunser, das Apostolische Glaubensbekenntnis, Psalm 23, die 10 Gebote und der Segen aus dem 4. Buch Mose Kapitel 6.

Yildirim, so heißt mein Gesprächspartner, hört sich das alles geduldig an. Er ist aber nicht so recht zufrieden mit meiner Antwort. Sie ist ihm zu kopflastig: „So viel Auswendiglernen? Schau mal, Pastor, der Glaube ist doch, wie sagt man auf Deutsch, etwas Ganzheitliches! Etwas für alle Sinne! Bei uns ist das so: Im Ramadan knurrt tagsüber der Magen. Die Knie spürt man beim täglichen Gebet. Die Hände öffnen sich für das Almosen. Und alle Knochen tun weh beim Pilgermarsch nach Arabien.“

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Dann trinken wir beide erst einmal einen Ayran, erfrischende Yoghurtmilch. Ich gewinne so etwas Zeit, mir noch eine Antwort zu überlegen. Yildirim will nämlich außerdem wissen, welche die wichtigste dieser 5 Säulen der Christen sei. Was der Papst dazu sage. Nun kann ich nicht mehr an mich halten: „Also, ich bin evangelisch! Da ist das nicht so einfach, weil man unterschiedlicher Meinung sein kann. Und ich bin der gleichen Meinung wie Reinhard, den ich gerade besucht habe. Er ist ein gestandener KFZ-Mechaniker und hat mir ganz einfach erklärt, warum er seinen Leon auf jeden Fall zum Konfirmandenunterricht schicken wird: ‚Da lernt er wenigstens die 10 Gebote – und das hat noch keinem geschadet‘. Recht hat der Mann!“

Yildirim kommt jetzt so richtig in Schwung: „Also, wenn Ihr schon keinen Papst habt, dann sag Du mir jetzt, welches das höchste eurer Gebote ist!“

„Da sind fast alle Konfirmanden der gleichen Meinung: Du sollst nicht töten! Und dann bin ich mit denen immer in einer schönen Diskussion. Denn aus theologischer Sicht trete ich für die ersten Gebote ein, mit denen Jugendliche meist nicht so viel anfangen können. Ich mache dann besonders das Sabbatgebot stark: Du sollst den Feiertag heiligen.“

„Na, da hast Du aber gut zu tun!“, wirft Yildirim ein. „Hier in Deutschland stehen sie doch sonntags beim Bäcker Schlange. Als ob es unter der Woche nicht genug Zeit zum Einkaufen gibt! Und am Nachmittag sind die Autobahnen dicht, weil alle Welt unterwegs ist. Du solltest mal nach Israel fahren. Ich war da letztes Jahr als Tourist. Da ist dann wirklich Stille: Am Sabbat fährt kein Bus! Mit der Politik dort habe ich meine Probleme, aber das fand ich stark: Der Sabbat wird fast im ganzen Land geachtet! Ich glaube, da könnt ihr Christen hier in Deutschland Euch eine Scheibe abschneiden!“

In Israel war ich auch schon, erzähle von meinen Sabbaterfahrungen und frage noch nach dem Feiertag der Muslime, dem Freitag. Wir sind mitten im Gespräch, als Yildirim aufbrechen muss. Es folgt ein freundlicher Abschied mit gegenseitigen Segens- und Friedenswünschen.

Seine Ansichten haben mich nachdenklich gemacht. Eine gute Idee, das mit den für alle verbindlichen, ganz praktischen, „ganzheitlichen“ Erkennungszeichen. Vielleicht wären für uns Christen ja erst einmal drei genug: Die Leib, Geist und Seele berührende Feier des Abendmahls, die Wiederentdeckung gefalteter Hände zum Tischgebet - und nicht zuletzt die Feiertagsheiligung!

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Es lohnt sich, dazu noch einmal den genauen Wortlaut aus der Heiligen Schrift zu hören. Die Zehn Worte, wie es in der jüdischen Tradition heißt, sind zweimal überliefert, in 2. Mose 20 und in 5. Mose 5, in weitgehend parallelem Wortlaut. Beim Feiertagsgebot gibt es die deutlichste Abweichung. Schon im „alten Israel“ war dieses offenbar so bedeutsam, dass zwei Begründungen zu uns sprechen. Im 2. Mose-Buch ist das die Ruhe Gottes nach getanem Schöpfungswerk. Und im 5. Buch Mose die Befreiung aus Ägypten, an die das Volk sich erinnern soll: Indem auch Knechte und Mägde, ja sogar die Nutztiere in die Sabbatruhe einbezogen werden.

Doch hören wir selbst die vielleicht gar nicht so vertrauten beiden Lang-Fassungen des Gebotes in der Übersetzung von Martin Luther:

Lesung 2. Mose 20,8-11 und 5. Mose 5,12-15


Mit doppelter Begründung hören wir dieses Gebot, liebe Gemeinde.
Doppelt hält besser, sagte meine Mutter früher gern, als sie mir beizubringen versuchte, meine Kinder-Halbschuhe mit einem Doppelknoten zu schnüren. Ich tat mich immer schwer damit. Mit dem Halten dieses Gebotes ist es ebenfalls nicht leicht. Und wenn es auch dreifach begründet würde! So leicht können viele gar nicht von ihrem höchst betriebsamen Alltag abschalten. Häusliche Pflichten rufen auch sonntags...

Und manche müssen auch arbeiten. Der Gottes-Dienst, den ich als Pastor zusammen mit dem Organisten und der Küsterin vorbereite, ist sicher noch einmal etwas besonderes – aber was wäre sonntags los ohne Ärztinnen im Krankenhaus, Pflegende in den Heimen oder die Lokführer und Mitarbeiter/innen der Bahn? Eine hochorganisierte Gesellschaft kann nicht komplett stillstehen. Und eine globalisierte Welt fordert auch ökonomische Tribute.

Und doch ist bei uns in Sachen Feiertagsruhe, wie sagt man neudeutsch, noch viel Luft nach oben, Richtung Himmel. Bei all denen, die eigentlich ruhen könnten.

Ich hörte neulich von einer Passanten-Befragung, die der Religionskurs eines Gymnasiums durchführte. Die Fragenden wollten wissen, wie bekannt die Bibel in unserem christlich geprägten Land ist. Die erste Frage lautete: Was ist der Höhepunkt der Schöpfungsgeschichte? Fast alle sagten: Der Mensch. Manche kannten auch die Rede von der „Krone der Schöpfung“. Der Mensch sei doch am letzten Tag geschaffen worden. Oder?

Denkste! Die Fragenden wussten es aus ihrem Unterricht besser. Das Buch Genesis schlägt vor dem siebten Schöpfungstag extra ein neues Kapitel auf, 1. Mose 2. Da steht im zweiten Vers: „Und so vollendete Gott am siebenten Tag alle seine Werke, die er gemacht hatte, und ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“

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Die Vollendung, der Höhepunkt der Schöpfung ist der Ruhetag. Erst mit dem Sabbat schließt sich der Kreis des Lebens, der den Rhythmus einer Woche durchpulst.

Eine Formulierung fällt mir besonders auf: Die Rede vom Sabbat „für den Herrn deinen Gott“. So als ob der Mensch am Ruhetag antwortet auf das, was Gott geschaffen hat. So als ob der Mensch diesen Tag jede Woche braucht, um vor lauter Arbeit das wichtigste nicht zu vergessen: Dass er mit Gott wieder ins Reine kommt. Dass er nicht über die Stränge schlägt und nicht meint, sich selber stets neu erfinden zu müssen – etwa nach dem bekannten Werbeslogan Unterm Strich zähl ICH. Dass er sich vielmehr einsortiert in eine Art Schöpfungs-Ordnung: Gottes Auftrag entsprechend die Erde zu bebauen und zu bewahren (Genesis 2,15).

Kluge Gelehrte sagen uns eine begründete Vermutung über die älteste und kleinste der Ein-Gott-Religionen. Über das Judentum mit seinen 14 Millionen Gläubigen: Ohne den Sabbat als sein charakteristischstes Erkennungszeichen wäre es im Lauf der Weltgeschichte untergegangen. Positiv gewendet: Mit dem Erkennungszeichen Sabbat hat es zahllose Vertreibungen und Jahrhunderte der Heimatlosigkeit überlebt. Noch anders gesagt: Der Sabbat ist immer Heimat geblieben, wo auch immer auf der Erde Juden siedelten.

In der Synagoge wird der Sabbat wie eine Königin begrüßt am Freitagabend. Und einen Tag später wieder mit großer Aufmerksamkeit verabschiedet. Mit wunderbar duftenden Ölen und Kräutern, die in der Familie oder unter Freunden herumgereicht werden. Der Wohlgeruch des Feiertages soll noch Kraft geben für die neue Woche, in den Alltag hinein.

Und dann gibt es noch eine schöne, durchaus selbstkritische Auslegung (auf Hebräisch Midrasch / Exodus Rabba 25,12): „Wenn Israel nur ein einziges Mal den Sabbat wirklich halten würde, dann würde der Messias kommen, denn das Halten des Sabbats kommt dem Halten aller Gebote gleich.“

Dann bräche endlich der ersehnte Frieden auf Erden aus, das wäre ein Tag der Freude!

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Ein letzter Gedanke, liebe Gemeinde. Yildirim hatte ja recht: In unserem Land haben wir es verlernt, den Sonntag als besonderen Ruhetag wirklich zu feiern. Die sonntags offenen Bäckereien und Ausflugsziele sind besser besucht als die Kirchen. Die doch Kraftquelle sein wollen für die „seelische Erhebung“, für die der Sonntag sogar laut Grundgesetz steht!

Tag des Friedens und Tag der Freude, das wär’s doch! So lässt sich ein Sonntag auch für Konfirmanden gut aushalten: Freundschaften pflegen, Zeit zum Spielen und auch für Sport, Zeit zum Lesen – für Schulaufgaben gibt es ja noch den Sonnabend. Nur das tun, was dem Frieden dient – und schwere Anstrengungen meiden!

Also auch jeden Gottesdienst wirklich feiern wie ein Fest: Mit Gebeten, die uns aus den Herzen sprechen. Mit Musik, die dem Schöpfer allen Lebens zur Ehre gereicht. Mit Predigenden, die unter der Woche genug Zeit zu sorgsamer Vorbereitung fanden. Da darf auch gelacht werden – der Ernst des Lebens schwingt ganz von selber mit.

In den Anfängen der Kirche feierten die Christen den Sabbat. Der wurde dann in der Auseinandersetzung mit der Weltmacht Rom zum Sonntag. Für Christen scheint als Sonne nicht der römische Sonnengott, sondern der auferstandene Christus, der den Tod besiegt hat.

Darum singen wir in diesem Gottesdienst Lied 162. Das sieht den ersten Schöpfungstag an jedem Sonntag wiederholt: „Gott Lob, der Sonntag kommt herbei, die Woche wird nun wieder neu. Heut hat mein Gott das Licht gemacht, mein Heil hat mir das Leben bracht. Halleluja!“

Und Gottes Friede, der weiter reicht als alle menschliche Vernunft, der wird unsere Herzen und alle Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.

Lied nach der Predigt: EG 162.
 

Überblick

Zielgruppen der Vortragenden:Pastor/inn/en, Prädikant/inn/en, Lektor/inn/en

Zielgruppen der Zuhörenden:Gottesdienstgemeinde, Konfirmand/inn/en, Gemeindegruppen

Einsatzgebiet: Gottesdienst/Andacht

Zeitumfang: Predigt ca. 15 Minuten

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Der Autor

Christoph Rehbein ist Pastor in der evangelisch-reformierten Gemeinde Hannover, die zur Evangelisch-Reformierten Kirche (Leer) gehört.
(Stand: 2016)