Gruppenaufgabe (30-45 min)
Bitte vergleichen Sie in einem ersten Schritt die ältesten Belege für das Vaterunser beim Evangelisten Matthäus, Lukas und in der Didache, einer syrischen Kirchenordnung (entstanden ca. 100 n. Chr.) (siehe Materialblatt).
- Welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten fallen auf?
Im zweiten Schritt finden Sie auf dem Materialblatt Auszüge aus jüdischen Gebeten, dem Kaddisch und dem Achtzehn-Bitten-Gebet¹ neben dem uns geläufigen Vaterunser-Gebet.
- Was überrascht Sie bei dieser Nebeneinanderstellung?
- Welche neuen Akzente entdecken Sie durch diesen Vergleich bei den jeweils einzelnen Bitten des Vaterunsers?
(Im folgenden Gespräch sollen weniger die Unterschiede, sondern eher die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden.)
Vertiefung (optional)
Die Gruppe überlegt gemeinsam, mit welchen Orten die einzelnen Bitten des Vaterunsers verknüpft werden könnten. Das kann sowohl in einer Wohnung als auch im Gemeindehaus oder in der Kirche ganz konkret umgesetzt werden: „Brot“ am Brotkasten oder am Altar. „Versuchung“ – Fernseher oder Westportal, der „Ort der Kirche, der traditionell mit dem Bösen bzw. der Gottferne verbunden wird“.²
- Welche Plätze im Dorf oder in der Stadt könnte man mit den einzelnen Bitten in Beziehung setzen?
Wenn Zeit dafür ist, lohnt es sich bestimmt, gemeinsam diese Orte aufzusuchen und dabei das Vaterunser so betend zu erschließen.
Impuls: Beten in Gemeinschaft (5 min)
Jedes Mal, wenn wir das „Unser Vater“ beten, erinnert das erste Wort „Unser“ – ein Plural! – daran, dass dieses Gebet eine Gemeinschaft initiiert und setzt. Dies stammt aus der jüdischen Tradition. „Vorgeschrieben für das Beten ist bis heute in traditionellen und orthodoxen Gemeinden die Anwesenheit von zehn Männern = minjan; da diese Zahl im Talmud im Unterschied zum mittelalterlichen Religionsgesetz nicht vorgeschrieben ist, werden in liberalen und progressiven jüdischen Gemeinden heute auch Frauen mitgezählt.“³
„Solche institutionellen und öffentlichen Gebete stiften und stärken religiöse Gemeinschaften; sie sind nicht nur – auch in der Antike – als Gebete an Gott gerichtet, sondern dienen ebenso der zwischenmenschlichen Kommunikation […] und der Identität der jeweiligen Glaubensgemeinschaft.“4 Um diese Gebete gemeinsam sprechen zu können, ist es zentral, dass der Wortlaut überall nahezu unverändert ist. Veränderungen werden – wenn überhaupt – behutsam über Generationen hinweg vorgenommen.
Dennoch gibt es ja bereits in den Evangelien unterschiedliche Überlieferungen des Vaterunsers und auch bei den jüdischen Gebeten einen Variantenreichtum. Dies zeigt, dass es von Anfang an nicht um ein „stures Nachsprechen“ unveränderbarer Gebete geht. Vielmehr können die Gebete je nach den Anliegen einer einzelnen Person oder einer Gruppe variiert werden. Gute Gebetserfahrungen gibt es damit, einzelne Bitten des Vaterunsers zu entfalten und z. B. zu überlegen, was alles zu dem „täglichen Brot“ dazugehört: nämlich alles Lebensnotwendige wie Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf …
Austausch: Erfahrungen mit Beten in Gemeinschaft (15 min)
Die Teilnehmenden tauschen sich in kleinen Gruppen über ihre Erfahrungen mit dem Gebet als Einzelne und in Gemeinschaft aus. Der Austausch über das Erleben beim Beten an dieser Stelle ist deshalb wichtig, weil in der Regel kaum oder gar nicht über solche Erfahrungen gesprochen wird.
Folgende Fragen können das Gespräch steuern:
- Wie erleben Sie das Vaterunser, wenn es in einer Gemeinschaft gesprochen wird?
Wie könnte man die positiven Erfahrungen dabei verstärken?
Wie die negativen verändern? - Wenn das gemeinsame Beten des Vaterunsers eine Gemeinschaft begründet, die nicht wir machen, sondern Gott schafft, was könnte das für die beim Beten entstandene Gemeinschaft konkret bedeuten?
- Was könnte man über die Identität einer Gruppe aussagen, wenn sie gerade das Vaterunser gemeinsam betet?
Variante:
- Tragen Sie bitte gemeinsam Gebetsanliegen Ihrer Kleingruppe zusammen – orientiert an den einzelnen Bitten des Vaterunsers?
(Dabei kommt es nicht auf Vollständigkeit an!)
Liturgischer Abschluss (7 min)
Ein gemeinsames Lied sammelt für den Abschluss.
Aus dem Evangelischen Gesangbuch
- „Wir wünschen Frieden euch allen / Hevenu schalom alejchem“ EG 433
- „Der Friede des Herrn / Schalom chaverim“ (Kanon) EG 434
- „Gehe ein in deinen Frieden“ EG 489
Nach einer Stille von mindestens einer, besser zwei Minuten wird gemeinsam – langsam und ganz bewusst – das Vaterunser gebetet.
- Zwischen den einzelnen Bitten könnten die erarbeiteten Anliegen der Kleingruppen eingefügt/gebetet werden.
Alternativ könnte man zum Schluss das „Vaterunser“ zur Vertiefung singen (Lebensweisen 36 oder 37; EG 188).
Jemand vom Team spricht den Segen, schließt die Bibel und nimmt sie an sich. Die Kerze wird ausgeblasen. Ein Moment der Stille.